Der Freundeskreis der Gartensiedlung Gronauer Wald wendet sich mit diesem offenen Brief an die politisch und verwaltungsrechtlich Verantwortlichen der Stadt Bergisch Gladbach:
Sehr geehrte Damen und Herren,
die „Vorgärten des Grauens“ sind seit einigen Jahren aus dem Straßenbild bekannt – und es werden noch immer mehr. Ebenfalls ist bekannt, welchen massiven Schaden die Versiegelung urbaner Flächen der Umwelt beifügt.
Dankenswerterweise ist das Thema der insektenfeindlichen Schottergärten in den Medien und der Politik angekommen – nur die städtische Verwaltung scheint sich der Tragweite noch nicht bewusst zu sein.
Der Kölner Stadtanzeiger veröffentlichte am 9. April 2021 den Artikel „Politik hat kein Herz für Steine“, der Freundeskreis reagierte mit einem Leserbrief. Am 15.10.21 folgte der Beitrag „Weg mit dem grauen Schotter“. In beiden Artikeln wird das Dilemma der vermeintlich pflegeleichten Schottervorgärten und die Notwendigkeit eines ökologischen Umdenkens und Umlenkens beschrieben. Was uns als Freundeskreis verstört, ist die Tatsache, daß der Erste Beigeordnete der Stadt Bergisch Gladbach in beiden Artikeln mit dem Hinweis zitiert wird, der Paragraph 8 der Landesbauordnung lasse ein Verbot von Schottergärten nicht zu. Er begründet das mit dem im Paragraphen enthaltenen Nachsatz einer möglichen „anderen zulässigen Verwendung“. Auch ohne juristisches Fachwissen erschließt sich rein logisch, daß die Versiegelung des Vorgartens mit Folie und Schottersteinen – also das Gegenteil der in der Bauordnung geforderten Wasseraufnahmefähigkeit und der Begrünung – wohl kaum eine „andere zulässige Verwendung“ darstellen kann. Schottergärten haben per se keinen „Verwendungszweck“, sie können nicht als Stellplatz, Spielwiese, Terrasse oder Mülltonnen-Stellplatz genutzt werden. Sie dienen lediglich der fragwürdigen Gestaltung und sorgen durch ihre Existenz für eine weitere Bodenversiegelung, Insektensterben und die unnötige Aufheizung des städtischen Klimas.
Der in München ansässige Fachanwalt Martin Klimesch schreibt deshalb in seinem Fachartikel „Aktuelle Rechtsprobleme des Artenschutzes – Schottergärten und die (rechtswidrige) Streuobstverordnung“ völlig zutreffend, dass begrünten Vorgärten in der Bauordnung eine große Bedeutung zugemessen werde, weshalb an die Zulässigkeit einer abweichenden Verwendung strenge Maßstäbe anzusetzen seien. Er kommt zu dem Schluß, da die Bauordnungen aller Bundesländer entsprechende Regelungen bezüglich der unbebauten Flächen enthielten, seien Schottergärten baurechtlich unzulässig. Zudem eröffneten die Bauordnungen jeder Gemeinde die Möglichkeit, selbst durch Satzungen und Bebauungspläne tätig zu werden.
Viele Orte in Nordrhein-Westphalen verbieten deshalb Schottergärten bereits per Gestaltungssatzungen, zum Beispiel Aachen, Walsdorf, Bad Berleburg, Bad Laasphe, Bad Salzuflen, Bad Münstereifel, Bedburg, Bergneustadt, Bloomberg, Brakel, Bochum, Detmold, Düsseldorf, Freudenberg, Hallenberg, Hattingen, Herne, Horn-Bad Meinberg, Höxter, Kalkar, Kempen, Kleve, Krefeld, Lemgo, Leverkusen, Lippstadt, Lügde, Minden, Monheim, Monschau, Moers, Pulheim, Ratingen, Remscheid, Rheda-Wiedenbrück, Rietberg, Schieder-Schwalenberg, Schmallenberg, Schwalmtal, Soest, Stolberg, Velbert, Warburg, Warendorf, Werl und Wuppertal.
In diesen Satzungen wird üblicherweise von „dauerhaftem Bewuchs“ gesprochen, von „gärtnerischer Gestaltung“ und von „dauerhafter Erhaltung“ bzw „Pflege“. Vorgärten dürfen nicht als „Arbeits- oder Lagerfläche“ bzw. als „Stellplatz“ genutzt werden. Häufig werden auch Bäume und Sträucher in „angemessenem Umfang“ oder „soweit dies nach den örtlichen Verhältnissen möglich ist“ erwähnt. Auch Stauden, Beete oder Hecken werden genannt. Der Anteil der „ziergärtnerisch“ gestalteten Fläche muß den Anteil versiegelter Fläche übertreffen, teils ist dies sogar prozentual geregelt. Einfassungen sind teils explizit verboten. Oft wird gefordert, daß die Befestigung lediglich von Zuwegungen oder Mülltonnenstellflächen erlaubt sei. Die Stadt Oelde erlaubt eine Gestaltung als Steingarten mit einer Mixtur aus Stein- und Pflanzenelementen. Teils wird gefordert, daß Abfallbehälter mit einer Bepflanzung zu umgeben sind, um sie vom Straßenraum abzuschirmen. Werbeanlagen und Warenautomaten werden oft explizit verboten. Die Befestigung von Vorgartenflächen darf nur im notwendigen Umfang und mit wasserdurchlässigen Baustoffen (z.B. fugenoffenes Pflaster oder Rasengitterplatten) erfolgen. Die Eigenschaft des Vorgartens als Garten muss insgesamt gewahrt bleiben. Einfriedungen des Vorgartens unterliegen üblicherweise bestimmten Auflagen an Höhe und Material, damit der freie Blick in den Vorgarten gewahrt bleibt. Vorgärten dürfen nicht durch Anschüttungen oder Ausgrabungen wesentlich vom Niveau der Umgebung abweichen. Beete sind ebenerdig auszuführen.
Diese Beispiele zeigen, wie deutlich sich andere Gemeinden auf der Basis bestehender Gesetze bereits für den Umweltschutz einsetzen, statt sich auf Nachsätze in Gesetzestexten zu berufen, um den fehlenden Willen einer politischen Gestaltung zu kaschieren. Ein Schottergarten-Verbot ist möglich und wird vielerorts schon praktiziert. Das hilft der Ästhetik im Straßenraum, gibt Insekten Nahrung und Lebensraum, vermindert Gefahren durch Starkregenereignisse und vermeidet urbane Hitzeinseln.
Wir fordern deshalb Mut und sofortiges Engagement unserer Stadtverwaltung, um den klimatischen Herausforderungen unserer Zeit auch im Kleinen entgegenzutreten.
Mit freundlichen Grüßen,
Für den Freundeskreis der Gartensiedlung Gronauer Wald
Till Erdmenger
Ariane von Britton
Frank Grobolschek
Pingback: Greenwashing von Schotterwüsten – Freundeskreis Gartensiedlung Gronauer Wald