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#GlanzstattHetze – der Freundeskreis poliert die Stolpersteine der Siedlung

In Köln findet derzeit die Aktionswoche #GlanzstattHetze statt, für die die Oberbürgermeisterin Henriette Reker dazu aufgerufen hat, die Stolpersteine der Stadt zu polieren und der Erinnerung an die Menschen, für die diese kleinen Mahnmale stehen, wieder zu neuem Glanz zu verhelfen. Sie erinnern an deportierte und ermordete Jüdinnen und Juden, an Sinti und Roma, politisch Verfolgte, Homosexuelle, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Zeugen Jehovas und Opfer der „Euthanasie“.

Auch in der Gartensiedlung Gronauer Wald befinden sich 3 solcher Stolpersteine – für den Freundeskreis eine Selbstverständlichkeit, hier ebenfalls mit Schrubber, Politur und weichen Tüchern tätig zu werden. Vor dem Haus an der Tent Nr. 2 kamen wir dabei mit der jetzigen Bewohnerin, Mareile Erb, ins Gespräch. Sie ist die Urenkelin von Elise Joschkowitz, an die einer der beiden Stolpersteine vor dem Haus erinnert. Frau Erb berichtet, dass ihre Mutter die damals schon im Rollstuhl sitzende, über 80-jährige Elise Joschkowitz in das Stellawerk gebracht hat, wo die Juden zunächst interniert wurden. Der zweite Stolperstein repräsentiert Frau Erbs Großonkel Reinhold Joschkowitz. Die dritte Messingtafel findet man im Ahornweg vor dem Haus Nr. 9. Hier lebte bis 1942 Henriette Zimmermann. Frau Hölzer, eine Nachbarin im Ahornweg – damals 10 Jahre alt, erinnert sich: „Frau Zimmermann lebte zurückgezogen. Sie war eine sehr freundliche Dame, für die wir Kinder manchmal einkaufen gingen. Als Belohnung gab es immer etwas Süßes.“ Frau Hölzer weiß, dass Henriette Zimmermann, deren Mann offenbar schon vorher verstorben war, zunächst im Stellawerk interniert und später nach Theresienstadt deportiert wurde. Darüber wurde jedoch erst später und dann auch nur unter der Hand gesprochen. An Kinder von Fr. Zimmermann kann sie sich nicht erinnern. Das Doppelhaus am Ahornweg wurde bei einem schweren Bombenangriff komplett zerstört, das jetzige Haus nach dem Krieg errichtet.

Herr Kautz, der den Freundeskreis regelmäßig besucht und unterstützt, hat unlängst einen Text über die Stolpersteine der Waldsiedlung verfasst, den wir hier wiedergeben dürfen:

Der Künstler Gunter Demnig entwickelte 1992 das Projekt der „Stolpersteine“. Es sieht vor, jene Menschen, die während der Zeit des Nationalsozialismus 1933 bis 1945 verfolgt, vertrieben oder ermordet wurden, ein Gedenken zu widmen. Vorrangig waren es zunächst Sinti und Roma, die durch den „Auschwitz-Erlass“ vom 16.12.1942 deportiert wurden. Ihnen folgte die organisierte Vernichtung der Juden im nationalsozialistischen Deutschland.
Die Stolpersteine bestehen aus quadratischen Messingtafeln in der Größe 9,6×9,6cm. Diese werden auf einen 10cm hohen Betonklotz aufgesetzt und vor dem letzten Wohnsitz des Betroffenen in den Belag des Gehwegs eingefügt. Die handgefertigten Messingtafeln tragen, soweit bekannt, den Namen des Opfers, sein Geburtsjahr, das Deportationsjahr und den Todesort. Die Texte werden durch den Bildhauer Michael Friedrichs-Friedländer und seine Mitarbeiter in dessen Werkstatt in Berlin in die Platten eingeschlagen. Die Montage der Steine vor Ort veranlasst der Künstler Demnig.

2012 erhielt das Projekt den Förderpreis für internationale Verständigung und Versöhnung. 

In Deutschland wurden bis Ende 2018 in 1099 Städten und Gemeinden rund 53.000 Stolpersteine zur Erinnerung an die Opfer der Gewaltherrschaft des „3. Reichs“ versetzt. Inzwischen haben sich 23 andere Länder Mittel- und Osteuropas dieser Aktion angeschlossen. Damit ist das Projekt „Stolpersteine“ das größte dezentrale Mahnmal der Welt.

Auch in der teilweise denkmalgeschützten Gartensiedlung Gronauer Wald sind drei Stolpersteine zu finden. Am Ahornweg Nr. 9 wohnte bis 1942 Henriette Zimmermann, geb. Meyer. Sie wurde 1876 geboren und im Jahr 1942 im Alter von 66 Jahren von hier deportiert. „Für tot erklärt“ steht nüchtern auf dem Stolperstein. Kein Hinweis darauf, wohin sie deportiert wurde. Kein Hinweis, wann und wie sie verstarb. Selbst das gut geführte Stadtarchiv Bergisch Gladbach hat keine Aufzeichnungen darüber. Nur diese Messingtafel erinnert an Frau Zimmermann.

Ganz anders die Stolpersteine der Familie Joschkowitz vor dem schmucken Haus An der Tent Nr. 2. Elise Joschkowitz, geborene Wertheim, wurde 1859 in Lispenhausen geboren und entstammt einer alten jüdischen Familie. 1882 heiratete sie Adolf Joschkowitz, der früh verstarb. Ihre Söhne Werner und Paul kämpften im ersten Weltkrieg 1914 bis 1918 für das deutsche Kaiserreich als Flugzeugführer. Der dritte Bruder, Reinhold, zog nicht in den Krieg. Werner Joschkowitz kam von einem Einsatz in Nordfrankreich nicht mehr zurück, sein Bruder Paul fiel 1918. Nach dem ersten Weltkrieg zogen Elise Joschlowitz und ihr Sohn Reinhold ins Rheinland und 1919 nach Bergisch Gladbach ins Haus An der Tent Nr. 2. Reinhold betrieb in Bergisch Gladbach eine Blechschlosserei und in Köln Mülheim, an der Mülheimer Straße, bis 1938 eine Autowerkstatt mit Tankstelle. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 wurden sie als Juden verfolgt. Entsprechend einer Verordnung vom 17.08.1938 mussten Juden, sofern sie andere Vornamen trugen, zusätzlich einen weiteren Vornamen annehmen, männliche Personen den Vornamen „Israel“, weibliche Personen den Vornamen „Sara“. Es gibt Dokumente, aus denen dies auch für Reinhold Israel Joschkowitz hervorgeht.

1941 wurden Elise und Reinhold Joschkowitz mit anderen jüdischen Familien in das „Judenhaus“, Bensberger Straße 188a, eingewiesen. Hier stand das „Stellawerk“, in dem ab 1941 Juden zwangsinterniert wurden, bevor sie in Konzentrationislager deportiert wurden. Heute erinnert eine Gedenktafel am Neubau auf der Ecke Richard-Zanders-Straße/Bensberger Straße an diese Zeit. 1943 erfolgte die Deportation der Joschkowitz in das Lager Theresienstadt. Elise Joschkowitz verstarb 1944 im Alter von 85 Jahren in dem Lager. Ihr Sohn Reinhold überlebte die Lagerhaft und kehrte nach Kriegsende schwer krank nach Bergisch Gladbach zurück. 1952 verstarb er an den Folgen seiner Haft im Konzentrationslager.

Das Türschild am Haus An der Tent Nr. 2, in dem jetzt die Urenkelin von Elise Joschkowitz lebt, und die beiden Stolpersteine erinnern an die Verfolgung, Deportation und das Leiden, dem die Familie im „3. Reich“ ausgesetzt war.

3 Gedanken zu „#GlanzstattHetze – der Freundeskreis poliert die Stolpersteine der Siedlung“

  1. Guten Tag,

    Mein Name ist Jos Gelissen und wohne in Heerlen (Niederlande). Ich habe mit Interesse den Beitrag gelesen über Stolpersteine; die erinnern an eine schreckliche Zeit. In Heerlen haben wir 71 solcher Stolpersteine. Es ist gut dass al diese Menschen in dieser Weise geehrt werden.
    Ich möchte aber gerne im Bezug auf die Familie Joschkowitz etwas korrigieren. Die Brüder Werner und Reinhold waren beiden Flieger im Ersten Weltkrieg.
    Werner Joschkowitz war pilot von Gotha G.IV/663/16 (Kagohl 3/Kasta 15) und gehörte zum “England Geschwader”. Nach einem misslungenen Angriff auf Londen am 22 August 1917 wollte das England Geschwader Dover bombardieren. Das Flugzeug von Joschkowitz wurde aber abgeschossen und stürzte ins Wasser in der Nähe von Ramsgate.
    Werner und der Beobachter Leutnant Walter Latowsky ertranken, nur der Bordschütze Uffz. Bruno Schneider wurde gerettet durch den Zerstörer “ HMS Kestrel”.
    Joschkowitz ‚ Leiche wurde einen Monat später an der Küste von Den Helder gefunden. In der Zeitung “Heldersche Courant” (27 september 1917) wurde erwähnt das er angespüllt war; in seine Unterwäsche hat man die Anfangsbuchstaben W.J. gefunden.
    In der Zeitung vom 29. September ist zu lesen, dass der ganze Name bekannt ist und dass Werner auf dem Huisduinen-Friedhof begraben wurde. Zwei internierte Offiziere seines Geschwaders waren ebenfalls anwesend.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sein Leichnam nach dem Deutscher Soldatenfriedhof Ysselsteyn gebracht und dort begraben.

    Reinhold war Pilot in Kagohl 1 / Kasta 2 und in Jagdstaffel 4. In seinem Flugbuch hält er fest, wann er seinen Bruder Werner das letzte Mal gesehen hat und wann er die Nachricht von Werners Tod erhalten hat:

    “Am 21-08-1917 nachmittags beim K.G. 3 gelandet und Werner zum letzten mal gesprochen.”

    22-08-1917: “Bomben südlich Bailleul. Beim zurückkommen die Nachricht vom Werners Ausbleiben vom K.G. 3 erhalten.”

    Mit freundlichen Grüssen,

    Jos Gelissen

  2. Pingback: Neue Informationen zur Familie Joschkowitz – Freundeskreis Gartensiedlung Gronauerwald

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