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Historische Bauvorschriften für die Gartensiedlung

Es ist überaus interessant, mit welchen Ideen und Vorschriften die Gründer der Gartensiedlung die Gestaltung unserer Nachbarschaft geprägt haben. Aus verschiedenen historischen Schriften haben wir einmal einige interessante Punkte zusammengetragen. Inwieweit diese Vorstellungen noch in heutigen Bauvorschriften oder Satzungen enthalten sind, haben wir nicht geprüft.

Quellen:

  • Entwicklung des Bau- und Wohnungswesens in Bergisch Gladbach, 1908 und 1914, Anna Zanders
  • Gesellschaftsvertrag und Bauvorschriften der Gemeinnützigen Gartensiedlungsgesellschaft Gronauer Wald m.b.H., 1913
  • Kauf-Vertrag und Erbbesitz-Vertrag der Gemeinnützigen Gartensiedlungsgesellschaft Gronauer Wald m.b.H., 1913
  • Satzung der Gemeinnützigen Ansiedler-Genossenschaft Gronauer Wald, 1913

Gründungsabsicht:
Gegenstand des Unternehmens (Gemeinnützige Gartensiedlungsgesellschaft Gronauer Wald m.b.H.) ist der weitere Ausbau und die Erweiterung der von Richard und Anna Zanders begonnenen Einfamilienhaussiedlung Gronauer Wald im Sinne der Gründer und nach den volkswirtschaftlichen und städtebaulichen Grundsätzen der Deutschen Gartenstadtgesellschaft.
Es sollen nur Einfamilienhäuser, einzelstehend oder in Gruppen, gebaut werden; nur bei Gebäuden für besondere Zwecke und bei Geschäftshäusern darf hiervon abgewichen werden. Alle Häuser sollen Hausgärten haben, und die weiträumige Bebauung mit Einfamilienhäusern soll durch die „Bauvorschriften“ und durch Ausschluss der Spekulation dauernd sichergestellt werden.
Ferner wird angestrebt, dass die Siedlung durch ihr Beispiel und durch Einfluss auf behördliche Maßnahmen die ganze Entwicklung der Stadt Bergisch Gladbach im Sinne des Gartenstadtgedankens beeinflussen möge.
Jede spekulative oder willkürliche Verteuerung der Preise des Bodens und der Wohnungen soll dauernd völlig verhindert werden

Es sollen nur Einfamilienhäuser, als Einzel-, Doppel- oder Reihenhäuser gebaut werden.

Allgemeine Bauvorschriften:
Hier sollte ein in sich geschlossener Ortsteil geschaffen werden, der, vor all den vorgenannten Schäden bewahrt, durch sein Beispiel die Bauweise und Wohnsitte in den übrigen Stadtgebieten beeinflussen sollte.
[…] ebenso wurde der Charakter der weiträumigen Bebauung mit Einfamilienhäusern durch bauliche Beschränkungen dauernd zu erhalten gesucht.
Diese Bauvorschriften haben Geltung für das im Bebauungsplan festgelegte Gelände der Gartensiedlung Gronauer Wald, sowie für alle Grundstücke, die von Frau Anna Zanders etwa später noch hinzugegeben werden. Sie gelten sinngemäß auch für Unterhaltung, Umbau und Erweiterung von Bauten und Nebenanlagen.

Durch eine Reihe von Verkaufsbedingungen, welche die willkürliche Verfügung über die Grundstücke einschränken sollten, wurde angestrebt, die ganze Anlage nach Möglichkeit ihrer Bestimmung zu erhalten und der Spekulation dauernd zu entziehen.
Der Käufer erkennt hiermit an, dass ihm die Bauvorschriften der Gem. Gartensiedlungsgesellschaft Gronauer Wald bekannt und bei Abschluss dieses Vertrages ausgehändigt worden sind. Er erkennt die „Bauvorschriften“ als einen wesentlichen Teil dieses Vertrages an, unterwirft sich ihnen und verpflichtet sich, auf dem gekauften Grundstück binnen … Jahren ein Einfamilienhaus gemäß den „Bauvorschriften“ zu bauen.
Der Käufer verpflichtet sich, auf dem gekauften Grundstück nur solche Bauten zu errichten, die die Genehmigung der Gartensiedlungsgesellschaft durch Unterschrift gefunden haben.

Verkehrsräume, Straßen und Wege:
Verkehrsräume wie Straßen und Wege werden nicht behandelt, da diese bereits erstellt sind und aufgrund der vorhandenen Bebauung nicht mehr verändert werden können.

Stellung der Häuser:
Eine nicht schablonenmäßige Baufluchtlinie wurde im Gronauer Wald verschiedentlich auf dem Wege der Ausnahmebewilligung zugelassen. Bei der Stellung und Gruppierung der Häuser ließ man sich eben so sehr von der Zweckmäßigkeit, wie z.B. der Rücksicht auf die Himmelsrichtungen, als auch von der Absicht, ein ansprechendes Straßenbild zu erzielen, leiten.
Erwähnt sei hier die staffelförmige Anordnung der Häuserreihe, die abgesehen von dem hübschen Straßenbild für das einzelne Haus selbst bei ganz schmalen Grundstücken den Vorteil einer nach allen Seiten freien Lage mit sich bringt.
Die spitzwinklige Lage der Grundstücke zur Straße, die tiefe Anordnung zur Voraussetzung hat, ist in Bergisch Gladbach bei vielen Wegen vorhanden, und es wäre deshalb zu begrüßen, wenn eine derartige staffelförmige Fluchtlinie in geeigneten Fällen allgemein und nicht nur ausnahmsweise zugelassen würde.

Bebauungsdichte und Grundstücke:
Die Baugrundstücke werden, je nachdem es die örtlichen Verhältnisse ergeben, kleiner oder größer gestaltet; im Durchschnitt sind sie 1/5 oder 1/4 Morgen (500 – 625 qm) groß. An einzelnen Stellen, wo ein zu kleines Baugrundstück entsteht, wird die fehlende Gartenfläche gegenüber dem Hause oder sonst in der Nachbarschaft ersetzt. Größer als 1/4 Morgen werden die Grundstücke für die kleinen Häuser im allgemeinen nicht bemessen, weil sonst die Nebenarbeiten für den Arbeiter, der seinen Garten nur in seinen freien Stunden bearbeiten kann, zu groß werden.
Bei der Verteilung von Haus- und Grundstücksbreite müssen die baupolizeilichen, ortsstatutarischen und die Beleihungsvorschriften befolgt werden, jedoch wird auch hierbei jede schablonenhafte Einförmigkeit, insbesondere in der Breite der Bauweise vermieden.

Die Mindestgröße eines Grundstückes ist 350 qm. Kleinere Grundstücke sind nur in Ausnahmefällen, wenn technische Gründe dies gebieten, zulässig. Jedoch darf unter allen Umständen die Bebauungsdichte nicht größer werden, als 18 Häuser auf 1 ha einschließlich Straßen und Plätzen.
Von der Bodenfläche jedes Grundstücks dürfen mit Wohngebäuden einschließlich etwaiger Wirtschaftsanbauten, Ställe, Werkstätten und dgl. höchstens 1/6 der Gesamtfläche überbaut werden.

Es dürfen höchstens … der Bodenfläche fest bebaut werden.
Einzelbestimmungen nach § 3 und 10 der „Bauvorschriften“: Von dem Grundstück dürfen mit Wohngebäuden einschließlich etwaiger Wirtschaftsbauten überbaut werden höchstens … qm.

Architektur:
Bei der Gestaltung der Häuser konnte nicht die Absicht bestehen, sogleich Musterbeispiele zu schaffen; hatte sich doch bisher niemand mit der schönheitlichen Gestaltung des Arbeiter-Einfamilienhauses beschäftigt!
Es sollte vielmehr an einer Reihe von Versuchen gezeigt werden, wie sich bei einfacher Formengebung eine gute, zweckmäßige Grundrissgestaltung und eine ansprechende gefällig Wirkung erreichen lasse.
Dies wird in erster Linie durch gute Verhältnisse der einzelnen Glieder des Baukörpers zueinander zu erreichen gesucht, wobei die Dachlinie, die Höhe der Stockwerke und die Fensterverteilung wesentlich sind, unter Benutzung der einfachsten Schmuckmittel, wie Fensterläden, Verputz und der so lange vernachlässigt gewesenen Farbe.
Alle diese Dinge verursachen nur wenig Mehrkosten, während die bergischen Schmuckmotive; Fachwerk und Schiefer, der höheren Kosten wegen nur vereinzelt benutzt werden konnten.
Die Stockwerke werden im Verhältnis zur Größe niedrig gehalten, um eine behagliche Raumwirkung zu erzielen (jetzt im Erdgeschoss 2,50 – 2,60 m, im Obergeschoss 2,50 m i.L.). Bei Einfamilienhäusern, wo sich die Familie mehr ausbreiten kann, bedeutet zudem die übertriebene Zimmerhöhe eine unnötige Verteuerung der Baukosten und eine Erhöhung der Ausgaben für Heizung.
Den Fenstern gibt man im Gegensatz zu den bis dahin üblichen ein mehr breites als hohes und schmales Verhältnis, wodurch die Zimmer eine bessere und freundlichere Belichtung erhalten, wie auch das schmale hohe Fenster sofort zur Verhängung mit Gardinen nötigt.
Man vermeidet die Fenster zu groß zu gestalten, weil dadurch bei freistehenden kleinen Häusern die Räume im Sommer zu heiß und im Winter zu kalt werden.

Wohnhäuser:
a. Es dürfen nur Einfamilienhäuser, d.h. Häuser, die nur zum Bewohnen durch eine Familie (Haushalt) eingerichtet sind, gebaut werden. Bei Gebäuden für ledige Personen und besondere Zwecke und bei Geschäftshäusern sind auch größere Bauten zulässig.
Auf der hier gekauften Parzelle darf nur ein Einfamilienhaus errichtet und als solches benutzt werden.
b. Die Häuser dürfen nur aus Erdgeschoss und ausgebautem Dachgeschoss, oder aus Erdgeschoss, Obergeschoss mit oder ohne Dachausbau bestehen. Die Decke des Kellergeschosses darf nicht mehr als 1 m über der mittleren Höhe des umgebenden Erdreichs liegt.
Die Höhe der Häuser von dem Sockel, welcher nicht höher sein darf wie 1,00 m, bis zur Oberkante des Dachgesimses, darf nicht mehr wie 6,50 m betragen.
c. Bei der Stellung der Gebäude zueinander und Ihrer Höhenabmessung ist darauf Rücksicht zu nehmen, dass für jedes notwendige Zimmerfenster ein Lichteinfallswinkel von mindestens 60° gewährleistet bleibt. (Winkel zwischen der Senkrechten und der Verbindungslinie von Fensterbank mit Dachfirst bzw. der höchsten Linie größerer gegenüberliegender Gebäudeteile)
Der Gesamtabstand zweier nebeneinanderliegender Gebäude muss bei anderthalbgeschossigen Häusern mindestens 6,50 m, bei zweigeschossigen Häusern mindestens 9,00 m betragen. Falls auf den Nachbargrundstücken Gebäude noch nicht stehen oder noch nicht genauer geplant sind, muss der Abstand des Gebäudes von der Nachbargrenze mindestens die Hälfte der vorgenannten Masse betragen.

Der Abstand der Gebäude von den Nachbargrenzen muss mindestens 3,00 m und von der Straße mindestens 2,00 m betragen. Es ist jedoch gestattet, zwei Gebäude gleichzeitig unmittelbar aneinander zu bauen, wenn jedes den Mindestabstand von 5,00 m nach der Nachbargrenze innehält.
Die Mindesttiefe des Vorgartens sowie die hintere Baufluchtlinie werden von der G.G.G.W. von Fall zu Fall festgelegt.
Der Mindestabstand von der rechten Nachbargrenze muss betragen … Meter. Der Abstand von der linken Nachbargrenze … Meter. Die Mindestvorgartentiefe ist … Meter. Die hintere Baufluchtlinie (hintere Grenze, über die nicht gebaut werden darf) ist von der hinteren Grundstücksgrenze … Meter entfernt.
Vorbauten, die nicht höher als 4,00 m über dem Erdboden sind, dürfen 1,00 m näher an die Grenze herangebaut werden.
Vorbauten, welche nicht höher als 3,50 m über dem Sockel sind, dürfen bis auf 2,00 m an die Grenze herangebaut werden.

Anbauten:
Die Errichtung von Anbauten, Ställen, Schuppen, Werkstätten und dgl. ist nur mit besonderer schriftlicher Genehmigung des Aufsichtsrates zulässig. Sie müssen so angelegt und eingerichtet sein, dass eine Belästigung der Nachbarn durch sie ausgeschlossen ist.
Die Errichtung von Werk- und Lagerstäten bedürfen der Zustimmung des jeweiligen Eigentümers der in der Gemarkung Gronau gelegenen, im Grundbuch von Gronau, Band I, Artikel 39 eingetragenen Parzelle, Flur 2, Nummer 200/6 Gronauer Wald 64,44 Ar. (Referenzgrundstück der Gartensiedlung Gronauer Wald, Anm. d. Red.)
Alle Baustoffe und Farben von Außenmauern, Dachbedeckungen, Fenstern, Türen, Läden, Regenrinnen, Veranden, Einfriedungen und dgl. bedürfen der Genehmigung des Aufsichtsrates, und zwar nicht nur bei Neubauten, sondern auch bei jedesmaliger Erneuerung. Alle Außenmauern müssen eine der Vorderseite gleichwertige Ausbildung haben.
Alle Außenmauern müssen eine der Vorderfront gleichartige Ausbildung haben.

Abwässer:
Heute nicht mehr zutreffend, da alle Gebäude an die Kanalisation angeschlossen sind.

Gewerbliche Anlagen:
Alle gewerblichen Anlagen, mit deren Betrieb für die Umgebung eine Gefährdung oder Belästigung durch Rauch, Ruß, üble Gerüche, außergewöhnliches Geräusch und dgl. verbunden sein kann, insbesondere alle den Vorschriften in § 16 ff der Reichsgewerbeordnung unterliegenden Anlagen sind vom Plangebiet ausgeschlossen.

Bäume:
Die auf dem Grundstück stehenden […] Bäume dürfen ohne Einwilligung der G.G.G.W. nicht gefällt, und auch keine größeren Äste abgesägt werden.

Einfriedungen:
Gegen die Straße und die Nachbargrenzen werden die Grundstücke durch lebende Hecken, meist mit Liguster. Lattenzäune finden sich der größeren Kosten wegen nur vereinzelt.
Eiserne Einfassung wurde als unschön und teuer vermieden.

Der Käufer verpflichtet sich, das Grundstück spätestens bis zum … in einer mit der Verkäuferin zu vereinbarenden Art auch an den nicht an die Straße stoßenden Grenzen mit einem Zaun einzufrieden. Die gleiche Verpflichtung wird den Käufern der angrenzenden Grundstücke auferlegt werden. Grundsätzlich sollen die Einfriedungen auf den Nachbargrenzen von den Nachbarn auf gemeinschaftliche Kosten errichtet und unterhalten werden.

Gärten:

Für die Anlage der Gärten tritt der Gesichtspunkt des innigen Zusammenhanges mit dem Hause und die möglichst praktische Benutzbarkeit in den Vordergrund. Das Zusammenarbeiten von Architekt und Gärtner ist auch bei so kleinen Aufgaben von Bedeutung.
Die Tiefe des Vorgartens wird absichtlich nur gering bemessen, meist nur auf 2,00 m, da Vorgärten von größerer Tiefe erfahrungsgemäß nicht so sauber als Ziergärtchen gehalten werden.
Die größte Fläche des Gartens bleibt dem Gemüsebau vorbehalten; ein Grasplatz zum Bleichen, einige hochstämmige Obstbäume, die meist längs der Wege in die Gemüsebeete, nicht in die Rasenfläche gepflanzt werden (um ihnen bessere Nahrung und Pflege zuteil werden zu lassen), Beerenobst, einige Ziersträucher und Stauden fehlen nirgends; die Hauswände sind mit Spalierobst oder blühenden Gewächsen berankt.

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